Unterricht ohne Klasse und Stundenplan: So läuft es an der Montessori-Schule in Trier
Trier · In Trier ist mit Schulbeginn eine neue weiterführende Schule gestartet: die freie Montessori-Schule in der Kaiserstraße. Was Schülern besonders gefällt und wie die Schule finanziert wird.
Trier-Süd, Kaiserstraße 10: Wer die weiterführende freie Montessori-Schule dort besucht, wird einige typische Begriffe aus der Welt der Schulen vermissen. Das hat Gründe. Denn engagierte Eltern sind vor Jahren mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, eine neue Schule in freier Trägerschaft nach einem speziellen Konzept in Trier zu gründen: erst Grundschule, dann weiterführende Schule.
Die Elterninitiative hat ihr Ziel erreicht: Etappe eins im Schuljahr 2019/2020. Damals startete die inklusive Grundschule im Bootshaus der Rudergesellschaft Trier. Und Etappe zwei in diesem Schuljahr. 45 Kinder lernen gemeinsam in der weiterführenden Schule in den hübsch renovierten Räumen der ehemaligen Nelson-Mandela-Realschule plus, vorher Robert-Schuman-Realschule.
Weiterführende Montessori-Schule in Trier: so gefällt es den Schülern
Eine der Schülerinnen ist die zehnjährige Hanna. Sie sagt, sie möge an der Schule, dass sie frei entscheiden könne, was sie arbeite. Was arbeitet sie zurzeit? Sie lerne mit einer Freundin den „Zauberlehrling“ auswendig, sagt sie. „Wir fanden das eine coole Idee.“ Andere müssten die Ballade auswendig lernen, sie wollten es. Und sie bereite zurzeit ein Referat über Klima- und Umweltschutz vor. Im Fernsehen habe sie eine Sendung über Müll im Meer und Müllhalden gesehen. Das habe sie sehr beschäftigt, sagt sie, und in der Schule habe sie das Thema nun aufgegriffen.
Der neunjährige Florian antwortet auf die Frage, was er an der Schule besonders mag, dass er keine Hausaufgaben machen müsse und er bei allem, was er arbeite, viel Freiheit habe. Dann sprudelt es aus ihm heraus, womit er sich zurzeit beschäftigt: Mit Wurzelziehen und einer bestimmten Vogelart möchte er mehr wissen, um nur einiges zu nennen.
Dass die Kinder um 15 Uhr aus der Schule gehen und keine Hausaufgaben mehr machen müssen, ist ebenso Teil des Konzepts wie, dass aufgegriffen wird, was die Kinder gerade bewegt und interessiert. Typisch für eine Montessori-Schule sind auch die gleichnamigen Materialien. Sie liegen griffbereit in sehr aufgeräumt wirkenden Regalen. Auch ein Grundprinzip der italienischen Reformpädagogin Maria Montessori (siehe Infobox): Jedes Ding hat seinen Platz.
Im „Raum Milchstraße“ können sich die Kinder an den Regalen bedienen. Wer gerade theoretisch etwas über Maßeinheiten gelernt hat, kann sich etwa einen Messbecher greifen und ausprobieren, was ein Liter praktisch bedeutet. Oder in der Milchstraße können Kinder sich mit einem Buch oder Heft in die gemütliche Leseecke verkrümeln oder mit der Lernbegleiterin auf einem Teppich sitzend neu erarbeitetes Wissen vertiefen.
Anderes Vokabular in der Montessori-Schule in Trier
Begriffe wie Klasse, Stundenplan und Lehrer tauchen in Gesprächen mit den Menschen, die täglich zur Montessori-Schule gehen oder sich für sie beispielsweise im Förderverein einsetzen, nicht auf. Hier gibt es Lernräume, Lernbegleiter, oder es ist von kosmischer Erziehung die Rede. Denn Maria Montessori war davon überzeugt, dass dem Kind nicht zusammenhanglos Wissen aus verschiedenen Lernbereichen vermittelt werden soll, sondern es von Anfang an den großen Zusammenhang und die Gesetzmäßigkeiten einer Ordnung innerhalb des Kosmos erfahren zu lassen.
Anika Hallet ist Lernbegleiterin. Sie war Gymnasiallehrerin und wollte weg aus der Enge des Schulsystems, weg vom Hecheln von Stunde zu Stunde, mit der Gefahr, dass Kinder nicht gesehen werden. So erklärt sie, was sie bewegt hat, die Schule zu wechseln. „Ich denke hier mehr vom Kind her“, sagt sie. Dadurch sei sie nun auch viel näher am Kind dran.
Das Konzept scheint viele positive Aspekte zu haben, doch wer eine neue Schule gründet, braucht viel Geld. Wer zahlt das? „Hauptsächlich wird die Schule über die Eltern finanziert“, sagt Sandra Möller, Gründungsmitglied und im Vorstand des Fördervereins sowie die kaufmännische Leiterin und Mutter eines Schülers.
Aber damit nicht die Haushaltskasse der Familien über die Aufnahme entscheide, würden auch Stipendien über eine Stiftung vergeben, sagt sie. Den Namen der Stiftung wollte sie nicht nennen.
Auch Luise Thieser ist von Anfang an dabei. Sie und ihr Mann wollten für ihr Kind eine Schule, die es so nicht in Trier gab, und setzten sich mit vielen anderen für die neue Schule ein. Sie hebt den sozialen Aspekt hervor: Die Schule sei inklusiv, die Kinder lernten in altersgemischten Jahrgangsstufen, hier in der Kaiserstraße Viert- und Fünftklässler gemeinsam, die Jüngeren von den Älteren und umgekehrt.
In der Montessori-Schule wird man auch niemals hören: „Jetzt malen alle einen Baum“ oder „Löst die Aufgaben eins bis vier.“ Während Lernbegleiter und Eltern erzählen, Fotos gemacht werden, lassen sich die Kinder nicht vom Arbeiten, wie hier alle sagen, ablenken.
Vielleicht weil sie das tun, was sie gerne tun und das, was sie gerade beschäftigt, auch nach Schulschluss.